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Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf Wertminderungen von Finanzinstrumenten nach IFRS 9

Quelle: Fachlicher Hinweis des IDW[1] und Public Statement „Accounting implications of the COVID-19 outbreak on the calculation of expected credit losses in accordance with IFRS 9 [2]von ESMA sowie eigene Recherchen.


[1] https://www.idw.de/idw/idw-aktuell/corona-virus–auswirkungen-auf-wertminderungen-von-finanzinstrumenten-nach-ifrs-9/122898
[2] https://www.esma.europa.eu/search/site/Public%20statement?date_from=2020-03-25&date_to=2020-03-25


Allgemeines

Die Kreditvergabe durch Banken wird durch verschiedene umfangreiche aufsichtsrechtliche Regelungen beeinflusst. Eine zentrale Rolle dabei spielt das Kreditausfallrisiko des Schuldners.

Durch das Zusammenwirken mit diesen umfangreichen aufsichtsrechtlichen Anforderungen können Wertminderungen von Finanzinstrumenten in der IFRS-Rechnungslegung dazu führen, dass Kreditinstitute weniger Kredite ausgeben können.

Aufgrund der aktuellen Ausbreitung der Coronavirus-Pandemie und die daraus zu erwartenden Folgen für die wirtschaftliche Lage ergeben sich Fragen zur Anwendung des Wertberichtigungsmodells nach IFRS 9. Die weltweite rasante Ausbreitung des Coronavirus stelle eine noch nie dagewesene Extremsituation für die Weltwirtschaft dar. Für die momentan erkennbaren wirtschaftlichen Einbußen stehen bereits angekündigte und eingeleitete politische und aufsichtsrechtliche Stabilisierungsmaßnahmen und Erleichterungen zur Verfügung. Die tatsächlichen wirtschaft-lichen Auswirkungen zur aktuellen Quartalsberichterstattung der Banken sind kaum verlässlich abschätzbar.

Auslegungshinweise

Die Bildung von Wertminderungen nach IFRS 9 ist ein Diskussionsthema bei zahlreichen nationalen, europäischen und internationalen Institutionen. Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) hat am 25.03.2020 ein sog. Public Statement zu den „Accounting implications of the COVID-19 outbreak on the calculation of expected credit losses in accordance with IFRS 9“. Die ESMA steht auch im engen Austausch mit dem IASB (International Accounting Standards Board).

Die ESMA kommt in ihrer Verlautbarung zu den folgenden Ergebnissen und betont, dass die umfangreichen staatlichen Stabilisierungsmaßnahmen bei der Bewertung nach IFRS 9 zu berücksichtigen sind.

  • Einschätzung, ob sich das Kreditausfallrisiko signifikant erhöht hat
    • Hierbei handelt es sich gem. IFRS 9 B5.5.17 um eine ganzheitliche Beurteilung zahlreicher quantitativer und qualitativer Indikatoren. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob die Änderung des Kreditausfallrisikos über die gesamte erwartete (Rest-)Laufzeit des jeweiligen Instruments sich signifikant erhöht hat.
    • Da das Ziel der staatlichen Stabilisierungsmaßnahmen die Milderung der nachteiligen Auswirkungen von COVID-19 und damit verbunden die Abschwächung der wirtschaftlichen Folgen für die Unternehmen ist, sollten diese Maßnahmen bereits bei der Beurteilung der Frage berücksichtigt werden, ob sich die Ausfallwahrscheinlichkeit (in Bezug auf die gesamte Laufzeit des Instruments; lifetime risk of default) sich wesentlich erhöht hat.
    • Nach Meinung der ESMA kann ein Unternehmen nach IFRS 9.5.5.11 anhand  der vorliegenden Informationen zur Überfälligkeit bestimmen, ob seit dem erstmaligen Ansatz das Kreditausfallrisiko sich wesentlich erhöht hat, wenn Informationen die mehr zukunftsorientiert sind als die Informationen zur Überfälligkeit nur mit sehr hohen Kosten- und Zeitaufwand zu beschaffen sind. In diesem Fall besteht eine wiederlegbare Vermutung einer signifikanten Erhöhung des Kreditausfallrisikos, wenn vertragliche Zahlungen mehr als 30 Tage überfällig sind. Die Bilanzierenden sollten umfangreich prüfen, ob diese Vermutung vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie und der eingeleiteten Stabilisierungsmaß-nahmen nicht wiederlegt werden kann.
    • Falls ein Schuldner von dem Gläubiger eines Finanzinstruments Erleichterungen auf Grund des Coronavirus-Pandemie bekommen hat, sind alle Fakten und Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Hierbei ist zu unterscheiden, ob sich das Kreditausfallrisiko des Finanzinstruments signifikant erhöht hat oder ob es sich nur um einen temporären Liquiditätsengpass ohne wesentliche Erhöhung des Kreditausfallrisikos handelt.
  • Bemessung erwarteter Verluste
    • Kreditinstitute sollten prüfen, welchen Einfluss die aktuellen Entwicklungen auf die nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklungen der jeweiligen Kreditinstitute haben. Die Kreditinstitute sollten dabei ein höheres Gewicht auf die Berücksichtigung von langfristig stabilen Prognosen legen als auf kurzfristige Szenarien.
  • Öffentliche Garantien
    • Gemäß ESMA sind öffentliche Garantien erst im Rahmen der Bemessung von erwarteten Verlusten zu berücksichtigen (vgl. IFRS 9 B. 5.5.12). Die Bilanzie-rung der Garantien ist abhängig von der Ausgestaltung der jeweiligen öffentlichen Garantien. Mögliche Varianten sind Garantien als integraler Bestandteil des Finanzinstruments oder als separater Bestandteil.
  • Modifikationen
    • Es ist zu prüfen, ob die staatlichen Stabilisierungsmaßnahmen dazu führen, dass ein Finanzinstrument auszubuchen ist und als neues Finanzinstrument wieder einzubuchen ist.
  • Transparenz
    • Es ist sehr wichtig die erwarteten Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie vollumfänglich im Anhang zu erläutern.

Die aufgeführten Erläuterungen stehen unter dem Vorbehalt, dass durch das IASB und das IFRS Interpretations Committee keine abweichende Auffassung geäußert wird.

Das IASB hat am 27.03.2020 einen kurzen Hinweis zum Umgang mit den durch die Coronavirus-Pandemie hervorgerufenen Unsicherheiten bei der Ermittlung der Risikovorsorge nach IFRS 9 veröffentlicht[3]


[3] https://cdn.ifrs.org/-/media/feature/supporting-implementation/ifrs-9/ifrs-9-ecl-and-coronavirus.pdf?


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